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Siri, Cortana, Google Assistant & Co. – jedem sein digitaler PA

Veröffentlicht am 26. September 2016


Früher gab es die klassische Chefsekretärin, die – wie auch der Name schon sagt – nur dem Chef zustand. Es war schon immer üblich, dass sie sich nicht nur um die Organisation geschäftlicher Termine, Reisen und Kommunikation zu kümmern hatte, sondern sich auch der Organisation eines Großteils des privaten Lebens ihres Chefs annahm. Kein Wunder, denn zwischen beruflichem und privatem Leben ist ab einer gewissen Hierarchiestufe bekanntermaßen keine scharfe Trennung mehr möglich und dies überträgt sich fast zwangsläufig auch auf die „rechte Hand“. Die logische Konsequenz dieser Entwicklung sind die sog. Personal Assistants (PA). Wer als Geschäftsmann oder –frau von Welt etwas auf sich hält, hat einen. Es unterstreicht natürlich die eigene Wichtigkeit und Dynamik, mit der man durchs Leben eilt. Aber auch ganz objektiv können solche Assistenten eine große Hilfe für vielbeschäftigte Leute darstellen, die diese schon bald nicht mehr missen möchten. Einen guten PA zeichnet neben absoluter Diskretion, höchster Flexibilität (sowohl zeitlich als auch bzgl. der auszuführenden Tätigkeiten) und absoluter Zuverlässigkeit nicht zuletzt aus, dass er seinen Chef bzw. seine Chefin so gut wie irgend möglich kennt – mit allen Vorlieben, Marotten und Abneigungen. Wer sich einen unterhaltsamen Eindruck vom Leben eines PA verschaffen möchte, dem sei der Film „Der Teufel trägt Prada“ empfohlen.

Seit einigen Jahren möchten sog. „Digitale Assistenten“ diesen Luxus jedem von uns nahe bringen. Erst kürzlich hat Google im Rahmen seines neu vorgestellten Messengers „Allo“ auch den darin integrierten neuen „Google Assistant“ präsentiert. Es ist davon auszugehen, dass dieser den altgedienten Assistenten Google Now über kurz oder lang ablösen wird. Die entsprechenden Gegenstücke der Konkurrenten Apple und Microsoft heißen Siri bzw. Cortana. Gemein ist ihnen allen, dass sie primär in Smartphones beheimatet sind, denn diese trägt jeder von uns nahezu 24 Stunden am Tag mit sich herum und kaum etwas ist für einen PA wichtiger als die ständige Verfügbarkeit. Dass der Google Assistant sein Debüt in einem Messenger gibt, ist dazu kein Widerspruch. Denn bereits seit einiger Zeit sind die Anbieter von Messengern  bestrebt, immer mehr Funktionalität in ihren Messenger-Apps zu bündeln; allen voran der chinesische Anbieter WeChat, dem sich der Weltmarktführer WhatsApp auf dessen Heimatmarkt bereits weitgehend geschlagen geben musste. Es ist eine logische Entwicklung, den Nutzern dort alle benötigten Dinge für ihr digitales Leben zur Verfügung zu stellen, wo sie sich sowieso schon ständig aufhalten. Und das ist heutzutage – vor allem bei den jüngeren Generationen – der Messenger, über den sie mit ihren Freunden ständig in Kontakt sind.

Die Entwicklung der digitalen Assistenten wurde erst mit der Allgegenwart von Smartphones, dem per Flatrate fast überall verfügbaren mobilen Internet, großen Fortschritten in der Spracherkennung und einer immer billigeren und schnelleren Speicherung und Verarbeitung einer Unmenge von Daten (Stichwort „Big Data“) möglich. Diese Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen und bereits in wenigen Jahren werden wir uns mit unseren digitalen Assistenten unterhalten wie mit realen Menschen. Bereits heute ist mit dem Google Assistant eine Konversation (bisher jedoch nur auf Englisch) möglich, die einen Vorgeschmack darauf gibt. Digitale Assistenten haben in der Tat das Zeug zum perfekten PA: Sie sind rund um die Uhr ohne Verzögerung und Müdigkeitserscheinungen (zumindest solange der Akku reicht) verfügbar, werden von ihren Entwicklern ständig um neue Funktionen ergänzt, verfügen über das Wissen des gesamten Internets, sind hundertprozentig zuverlässig (solange das Betriebssystem nicht abstürzt) und ertragen klaglos auch unsere schlechteste Laune. Also alles gut? Nicht ganz. Denn an einer ganz entscheidenden PA-Funktion hakt es: der Diskretion. Je besser unser digitaler Assistent uns kennt, desto besser kann er uns zu Diensten sein, umso mehr und interessantere Features sind denkbar. Deswegen sind Siri & Co. notorisch neugierig, saugen sämtliche Daten, die wir ihnen über uns zur Verfügung stellen, begierig auf und versuchen, daraus weitere Erkenntnisse über uns abzuleiten. Ein menschlicher PA, der alles öffentlich ausplaudert, was er über seinen Chef über die Jahre erfahren hat, oder diese Kenntnisse in sonstiger Schädigungsabsicht anwendet, kann dessen Leben unter Umständen durchaus zerstören oder zumindest ordentlich durcheinander bringen. Nicht besser ist es mit den digitalen Assistenten – im Gegenteil. Das Wissen des menschlichen PA befindet sich in erster Linie in den Gehirnwindungen einer ganz konkreten Person, das des elektronischen Pendants dagegen in der Cloud, d.h. auf irgendwelchen Servern. Dass es sich bei den Anbietern der von uns Europäern genutzten digitalen Assistenten ausschließlich um US-Unternehmen handelt, macht die Sache aus nachvollziehbaren Gründen nicht eben besser. Den menschlichen PA halten vielleicht persönliche moralische Grundsätze, ein gutes Gehalt sowie die Angst vor Bestrafung und Gefängnis davon ab, seine Kenntnisse missbräuchlich einzusetzen. Aber welche Moral hat eine kostenlose App? Wieviel Angst vor Bestrafung ein globaler Multi-Milliarden-Konzern?

Der Siegeszug der digitalen Assistenten wird nicht aufzuhalten sein. Zu zwingend, übermächtig und verlockend sind die Vorteile. Und warum sollte man auch? Datenschutz heißt schließlich nicht Fortschrittsfeindlichkeit. Aber wieder einmal sollte sich jeder Einzelne fragen, wie er für diese Dienstleistung bezahlen will: Mit Geld oder Daten? Ein kostenpflichtiger Assistent, der die ihm anvertrauten Daten dafür aber tatsächlich unter Verschluss hält, ist einer kostenlosen Variante, die sich dafür aber in den Nutzungsbedingungen – die sowieso kaum jemand liest - weitgehende Rechte bzgl. anderweitiger Verwendung dieser Daten einräumen lässt, auf jeden Fall vorzuziehen. Bzgl. der Einschränkung und Überwachung der Zugriffsmöglichkeiten durch Nachrichtendienste und Strafverfolgungsbehörden sind wiederum die Gesetzgeber gefordert – und hier sind die Einflussmöglichkeiten unserer Regierungen außerhalb Europas leider naturgemäß beschränkt. Darüber hinaus bleibt natürlich immer ein Restrisiko von Datenverlusten und daraus resultierenden Schädigungen durch kriminelle Zugriffe. Aber ein Restrisiko besteht eben auch im Falle eines menschlichen PA. Letztlich ist es in beiden Fällen eben auch Vertrauenssache, wie weit wir uns gegenüber unserem Assistenten öffnen. Aber im Gegensatz zu einem menschlichen PA werden uns unsere digitalen Begleiter wohl auch zukünftig nicht mit einem vorwurfsvollen Blick strafen, wenn wir sie ein Hotelzimmer für unsere außereheliche Affäre buchen lassen.